Kostenloses Dokument: Vor- und Nachteile der Rentenabsicherung per Kammerversicherung für Freiberufler und Selbständige
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Es wird mithin eingeräumt, dass - ähnlich wie zu der Zeit in der jungen Bundesrepublik - die wirtschaftliche Gesamtlage es erfordert, das Prinzip der individuellen Äquivalenz (zwischen individuellen Beiträgen und späteren Leistungen) aufzugeben.
Der Einzelne kann sein Rentenniveau allein durch seinen Kapitalstock nicht mehr erwirtschaften. Dass geben die Anlagemöglichkeiten nicht mehr her. Durch die Ausweitung des Kollektivs, d.h. den Einbezug stetig neuer, junger Kammermitglieder, soll sich eine Atempause von der reinen Kapitalmarktabhängigkeit verschafft werden. Vorbeugend wird jedoch zugleich eingeräumt:
„Die Systemerweiterung dient nicht dazu, Kürzungen von Anwartschaften zu vermeiden, die auf einem langfristig nicht mehr erreichbaren Rechnungszins beruhen. (…) der Verwaltungsrat behält sich ausdrücklich die Möglichkeit der Relativierung dieser Anwartschaften – soweit angesichts des Zinsumfeldes erforderlich und unter Beachtung des rechtlichen Rahmens möglich – vor.“
Auch das offene Deckungsplanverfahren partizipiert, wie ausgeführt, von den jeweiligen Erträgen, die zunächst erst einmal erwirtschaftet werden müssen. Vor einer weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Kapitalmarktlage sah sich die Versorgungskammer daher seriöser Weise von vornherein veranlasst, den nun vollzogenen Schritt zum Wechsel auf das „oDPV“ gar nicht erst als Patentrezept anzupreisen.
IV. Ausblick
Mittel- und langfristig kann sich das „oDPV“ den Nachteilen beider herangezogener Systeme ausgesetzt sehen, anstatt deren Vorteile zu einen.
So kann die Ausweitung auf die kollektive Äquivalenz zu Leichtsinnigkeit an anderer Stelle verführen.[23] Während Lebensversicherer nämlich aufgrund der anhaltendenden Niedrigzinsphase die Garantieverzinsung bei Neukunden mittlerweile auf 1,25 % gesenkt haben, liegt der Rechnungszins bei vielen Versorgungswerken weit darüber.
Der in versicherungsmathematischen Formeln verwendete Zinssatz mit dem künftige Leistungen und Beiträge bei der Berechnung ihres heutigen Wertes abgezinst werden, wird als Rechnungszins bezeichnet.
Der Wert, den zukünftige Zahlungen in der Gegenwart besitzen, ist der Barwert. Dieser wird durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungen und anschließendes Summieren ermittelt.
Je niedriger nun der Zinssatz gewählt wird, umso höher ist der Barwert und damit der Betrag der schon jetzt für jedes Kammermitglied zurück gestellt werden muss.
M.a.W.: Durch einen nach wie vor angesetzt hohen Rechnungszins erhalten sich viele Versorgungskammern einen niedrigen Rückstellungswert.
Aus dem das deutsche Bilanzrecht beherrschenden Vorsichtsprinzip wird nun allerdings die Forderung abgeleitet, dass der Rechnungszins selbst unter ungünstigsten Verhältnissen mit Sicherheit erwirtschaftet werden können muss. Er muss daher für Versicherer stets niedriger sein als die denkbar niedrigste Nettoverzinsung des Unternehmens. Letztere vor allem durch den am Kapitalmarkt erzielbaren Zins geprägt wird. Nur ein niedriger Rechnungszins kann in Krisenzeiten die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen sicherstellen.[24]
Dass hiergegen nach wie vor etliche Versorgungswerke verstoßen hatte zuletzt der Oberste Rechnungshof in Bayern mit Sorge festgestellt.[25] Diese Warnung beherzigt hat die Bayerische Versorgungskammer diese Aufforderung und senkte 2008 den Rechnungszins von 4% auf 3,5% und für Neumitglieder auf 2,5%.[26] Dies ist jedoch für die heutigen Verhältnisse immer noch bzw. wieder viel zu hoch.
Wenn man den Rechnungszins senkt, braucht man – wie dargelegt - mehr Deckungskapital, um die Renten stabil zu halten. Dafür haben die Werke über Jahre Zinsschwankungsreserven gebildet. Nach Angaben der ABV könnten manche Werke bis zu 16 Jahre zuschießen, manche jedoch nur ein paar Jahre.
Hinzukommt, dass viele Versorgungswerke ihre Modelle auch deshalb weiter korrigieren werden müssen, weil die Lebenserwartung der Kammermitglieder immer höher als vorher angenommen ausfällt. Ärzte, Anwälte, Architekten und andere Freiberufler leben im Durchschnitt länger als der Rest der Bevölkerung.[27] Es entsteht damit auf absehbare Zeit ein höherer Kostenbedarf. Dies macht das „oDPV“ anfällig, das eben auch darauf angewiesen ist, dass jüngere Mitglieder die Finanzierung der älteren mittragen.
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[1] Vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 231 Abs. 3 SGB VI.
[2] Mitteilung der Bayerischen Versorgungskammer aus dem Nov. 2014 an Apotheker, Ingenieure, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte und Steuerberater. Die Mitteilung an die Architekten erfolgt im Januar 2015.
[3] Vgl. dagegen den klarstellenden Artikel von Lill unter:
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Teil 1,
Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5