EU kaum gerüstet für internationale Finanzkrisen
Die Nachbeben der US-Immobilienkrise sind immer noch spürbar. Währenddessen mehren sich laut Global-Agenda.org die Zweifel, dass Europa eine Finanzkrise von größerem Ausmaß überhaupt bewältigen könnte. Die Europäische Union ist nach wie vor äußerst schlecht für grenzübergreifende Krisen gerüstet, die durch die zunehmende Interdependenz der europäischen Banken ausgelöst werden könnten.
Die Immobilienkrise in den USA und der durch sie ausgelöste Sturm beendeten vorerst die finanzpolitische Schönwetter-Stimmung in Europa, die sich nach einer langen Phase bemerkenswerter Stabilität auf den europäischen Finanzmärkten etabliert hatte. Drei Aspekte lassen sich seit dem Ausbruch der Krise im August 2007 beobachten:
• Die Europäische Zentralbank hat sich als effizienter Kreditgeber und zuverlässiger Krisenmanager für das europäische Finanzsystem bewährt. Sie reagierte schnell und intervenierte, um den europäischen Bankenmarkt zu stützen. Das Zögern der Bank von England, Liquidität bereitzustellen, erwies sich eindeutig als schlechte Entscheidung.
• Die nationalen Bankenaufsichten innerhalb Europas wiesen dagegen starke Mängel auf. Ihre Glaubwürdigkeit könnte nachhaltig beschädigt sein. Die drei am stärksten betroffenen Banken in Deutschland (Sachsen LB, IKB und West LB) hielten sich zwar an die Eigenkapitalregeln, gingen aber mit ihren so genannten „Conduits“ erhebliche Risiken ein. Hier wäre eine deutlich stärkere Aufsicht und Kontrolle erforderlich gewesen. In Großbritannien zeigte der Fall Northern Rock, dass es gleich bei allen drei für die Finanzstabilität zuständigen Institutionen hapert: im Finanzministerium, bei der Finanzaufsicht und bei der Bank von England.
• Die derzeitigen Turbulenzen auf dem europäischen Finanzmarkt verdeutlichen ein drängendes Problem: Es fehlen wirkungsvolle Mechanismen, die eine grenzübergreifende Bankenkrise verhindern helfen. Bis vor kurzem beschränkten sich die meisten Banken noch weitgehend auf den jeweils nationalen Finanzmarkt. Inzwischen jedoch sind die europäischen Banken EU-weit tätig. Ein Drittel ihrer Vermögenswerte legen die größten EU-Banken mittlerweile im europäischen Ausland an. Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren war es lediglich ein Sechstel. Der Anteil der außerhalb der EU gehaltenen Anlagewerte hat sich dagegen kaum verändert.
Die Fusionen und Übernahmen innerhalb Europas dürften sich unbeirrt fortsetzen, sobald sich der erste Sturm gelegt hat. Damit erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit einer grenzübergreifenden Bankenkrise. Eigenwillig und unabhängig agierende nationale Aufsichtsbehörden werden derartige Krisen nicht bewältigen können. Es ist deshalb höchste Zeit, eine Debatte über neue Institutionen anzustoßen, die eine zentralisierte Bankenaufsicht auf EU-Ebene ermöglichen würden. Auch wenn die genauen Arrangements nur durch zähe Kompromisse zu finden sein werden – die Reform der EU-Institutionen im Bereich der Finanzaufsicht gehört ganz oben auf die politische Tagesordnung. Die Kosten einer grenzübergreifenden Finanzkrise dürften sich als größer erweisen, als die europäische Volkswirtschaft es sich leisten kann.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market Newsletter 9/2008 veröffentlicht.