Politische Umstände hemmen den Unternehmergeist in der arabischen Welt
Durch den aktuellen Ölboom schwimmt die arabische Welt in Geld. Doch der Sprung zur modernen und dynamischen Wirtschaft will ihr laut Global-Agenda.org einfach nicht gelingen. Trotz der wachsenden und überdurchschnittlich jungen Bevölkerung kann sie keine neuen Technologien, keine neuen Patente, keine internationalen Trends oder Markenprodukte für sich verbuchen. Innovative Ideen bleiben Mangelware und unternehmerischer Geist die Ausnahme. Tarek Osman fragt in seinem Aufsatz "Risk in the Arab World", ob dies mit den politischen Bedingungen zu tun haben könnte. Kann die arabische Welt ihr ökonomisches Potenzial nicht ausschöpfen, weil die politischen Umstände das unternehmerische Risikowagnis hemmen?
Der ökonomische Rückstand der arabischen Welt ist frappierend. Nur das subsaharische Afrika steht noch schlechter da. In der Region leben etwa 250 Mio. Menschen, mehr als 50% sind unter 35. Etwa 40% leben unterhalb der Armutsgrenze und die Arbeitslosenquote beträgt über 25%. Die ausländischen Direktinvestitionen sind verschwindend gering. Dabei wäre zu erwarten, dass gerade in einer Region mit so großen Geldmengen keine Mühen und Risiken gescheut werden, neue Konzepte zu wagen und Unternehmen zu gründen. Doch die gesamte arabische Welt scheint in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung blockiert. Sie produziert kaum Ideen, neue Produkte oder Dienstleistungen, die für einen Wachstumssprung so wichtig wären. Schon der Arab Human Development Report der Vereinten Nationen bemängelte den fehlenden Unternehmergeist. Als Gründe nannte er unter anderem fehlende Bildung, die Konzentration von wirtschaftlicher Macht in den Händen einiger weniger, ungleiche Wohlstandsverteilung und den fehlenden Mittelstand in vielen arabischen Ländern.
Das Hauptproblem scheint jedoch woanders zu liegen: Im aktuellen politischen und wirtschaftlichen Umfeld der arabischen Welt wäre es schlichtweg irrational, bedeutende ökonomische Risiken einzugehen. Von den Verhaltenswissenschaften wissen wir, dass Menschen weder besonders risikofreudig noch risikoaversiv sind, sondern risikoneutral. Ihre Bereitschaft, Risiken einzugehen, hängt von ihren Erwartungen an das wahrscheinliche Resultat ab. Nur bei einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Risiko und zu erwartendem Ertrag gehen Menschen unternehmerische Risiken ein. Eine solche Balance wiederum kann es nur geben, wenn sich die Einflussfaktoren auf das Risiko beobachten, bewerten und berechnen lassen. In der arabischen Welt kann davon nicht die Rede sein: Der Mangel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das undurchsichtige Beziehungsgeflecht von Politik und Wirtschaft sowie das ständige Gefühl, dass die Machthaber unverhältnismäßig viel Einfluss auf Politik und Wirtschaft ausüben, schrecken jeden ab, der ökonomisch kalkulierbare Risiken eingehen möchte. Auf die Launen eines korrupten Systems setzt nun mal kein Unternehmergeist.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market Newsletter 2/2008 veröffentlicht.