Brandbrief der Arbeitgeberverbände: EU bedroht Solo-Selbstständigkeit in Europa
Sieben führende Arbeitgeberverbände rufen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zur Abkehr/Anpassung der Plattformarbeitsrichtlinie auf. Die Verbände fürchten eine Zwangstarifbindung und Falschklassifizierung von freien Unternehmern und Solo-Selbstständigen.
Unterzeichnet wurde das Schreiben von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Gesamtmetall, dem Unternehmerverband Deutsches Handwerk und den Arbeitgeberverbänden der privaten Banken, der Luftfahrtunternehmen, der Versicherungen und der Chemie.
Bereits im Dezember 2021 hatte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine “Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit” vorgelegt, auf dessen Basis der EU-Beschäftigungsausschuss im Mai 2022 einen Bericht vorgelegt hat, über den das Europäische Parlaments jetzt abstimmen soll. Beispiele für Plattformarbeit sind unter anderem Fahrdienste wie UBER oder Essenlieferdienste wie Lieferando.
Der aktuelle Richtlinienvorschlag schießt laut den Arbeitgeberverbänden deutlich über das Ziel hinaus und ignoriert bereits vorhandene und etablierte Lösungen in den EU-Mitgliedstaaten.
Die Arbeitgeberverbände sehen insbesondere die nachfolgenden Punkte mit großer Sorge:
1) Zu weit gefasste Definition von digitalen Arbeitsplattformen: Dass schon die Verwendung von Computerprogrammen und -verfahren für die Vermittlung, Überwachung oder Organisation von Arbeit ausreichen soll, um Unternehmen als “digitale Arbeitsplattform” zu definieren, gehe deutlich zu weit, da eine solche Definition praktisch die gesamte
Wirtschaft erfassen würde: Jede von Vorgesetzten per E-Mail verfasste Arbeitsanweisung würde ein
Unternehmen zur digitalen Arbeitsplattform machen. Stattdessen sollte die Definition nur digitale Arbeitsplattformen umfassen, die als digitale Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage eine kommerzielle Dienstleistung erbringen.
2) Zwangs-Tarifbindung: Wenn als digitale Arbeitsplattformen definierte Unternehmen, die im Tätigkeitsbereich geltenden Tarifvereinbarungen einhalten müssten, käme das einem umfassenden Tarifzwang gleich und würde die Koalitionsfreiheit der EU-Grundrechte-Charta verletzen.
3) Vermutung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne jegliche Kriterienbasis: Dadurch würden faktisch alle
Personen, die mittels digitaler Arbeitsplattformen arbeiten, in ein Arbeitnehmerverhältnis gedrängt. Eine korrekte Vertragseinstufung sollte weiterhin nur anhand der in den Mitgliedsstaaten geltenden Regeln erfolgen.
Den Interessen der Beteiligten sei nicht damit gedient, da digitale Plattformen sich genauso wie alle anderen Unternehmen an geltendes nationales Arbeits- und Sozialversicherungsrecht halten müssen. So habe das deutsche Arbeitsrecht bereits effektive Verfahren gegen Scheinselbstständigkeit. Ein europäischer Kriterienkatalog, der einen europäischen Arbeitnehmerbegriff definiert, beeinträchtigt den Geltungsanspruch des deutschen Arbeitnehmerbegriffs und verletze damit das europäische Kompetenzgefüge.
Würde die EU-Plattformarbeitsrichtlinie wie geplant umgesetzt, fiele die Solo-Selbstständigkeit als ein Teil der freien Unternehmertätigkeit in der EU praktisch weg. Solo-Selbstständige würden in Beschäftigungsverhältnisse gedrängt, auch wenn dies nicht in ihrem eigenen Interesse ist.
Ein Zwang zum Arbeitnehmerstatus würde vor allem kleinere Unternehmen benachteiligen, da es die Beauftragung externer Spezialisten und Berater erheblich erschweren würde. Gerade der Projektbereich ist durch spezialisierte Einzelunternehmer geprägt, die ihre Dienstleistungen verschiedenen Unternehmen anbieten.
Zudem könnte eine Zwangs-Tarifbindung das Ende der Tarifautonomie in Deutschland und Europa bedeuten.
Laut den Arbeitgeberverbänden wären die europaweiten Folgen für den digitalen Fortschritt, die Solo-Selbstständigkeit und die Tarifautonomie fatal.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 12/2022 veröffentlicht.