Reform des Statusfeststellungsverfahrens ab 01.04.2022
Am 20. Mai 2021 hat die damalige Große Koalition noch kurz vor Ende der Legislaturperiode eine Reihe von Änderungen am Statusfeststellungsverfahren beschlossen, die zum 1. April 2022 in Kraft treten. Ziel des § 7a SGB IV soll sein, mehr Gewissheit darüber zu erlangen, ob freie Mitarbeiter selbstständig oder abhängig beschäftigt sind. Obwohl dieses Gesetz für Selbstständige und Freiberufler von zentraler Bedeutung ist, hat die Regierung weniger als 17 Minuten Aussprache zugelassen.
Die neuen Instrumentarien erweitern den Anwendungsbereich des Statusfeststellungsverfahrens, wobei aber weiter nicht geregelt ist, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Das Statusfeststellungsverfahren soll zukünftig eine Entscheidung über den sogenannten Erwerbsstatus ermöglichen, also die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung.
Dabei ist das Statusfeststellungsverfahren von der Frage der Versicherungspflicht entkoppelt, wodurch umfangreiche Angaben und Prüfungen zur Sozialversicherungspflicht nicht mehr nötig sind. Bisher konnte in den Verfahren nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung isoliert entschieden werden, sondern ausschließlich über die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung.
Das neue Gesetz kennt jedoch auch Konstellationen, in denen trotz Versicherungsfreiheit das Vorliegen einer Beschäftigung möglich ist. Darüber hinaus kann auch eine selbstständige Tätigkeit versicherungsrelevante Folgen haben (z. B. im Falle der Pflichtversicherung für Selbstständige nach § 2 SGB VI), sodass die Feststellung des Erwerbsstatus relevant bleibt.
Ab Anfang April ist eine umfassende Klärung der in “Dreiecksverhältnissen” bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen im Rahmen eines einzelnen Statusfeststellungsverfahrens möglich. Bislang mussten grundsätzlich mindestens zwei Statusfeststellungsverfahren angestrengt werden. Ein Dreiecksverhältnis besteht beispielsweise, wenn ein Dienstleistungsunternehmen einen Spezialisten bei einem Endkunden einsetzt.
Bei der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, soll es jetzt auf sämtliche Rechtsbeziehungen ankommen, die dieses Vertragsverhältnis prägen, also auch auf die Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber und dem Endkunden. Im Wesentlichen soll geprüft werden, ob Anhaltspunkte vorliegen, dass der Auftragnehmer in die Arbeitsorganisation des Endkunden eingegliedert ist, also beispielsweise dessen Weisungen unterliegt.
Nach der neuen Regelung kann jetzt zwar auch der Endkunde ein Statusfeststellungsverfahren einleiten, um überprüfen zu lassen, ob ein Beschäftigungsverhältnis besteht, wobei kaum damit zu rechnen ist, dass Endkunden hiervon Gebrauch machen.
Es ist fraglich, ob die Neuregelung zu mehr Rechtssicherheit führt, da es sich vor allem um eine verfahrensrechtliche Anpassung handelt. Der Gesetzgeber macht keine inhaltlichen Vorgaben für eine künftig rechtssichere Beantwortung der rechtlichen Abgrenzungsfragen. Die erhebliche Rechtsunsicherheit über den Ausgang der Statusfeststellung bleibt bestehen.
Neu ist die Prognoseentscheidung vor Aufnahme der Tätigkeit: Das Statusfeststellungsverfahren konnte bisher erst nach Aufnahme einer Tätigkeit durchgeführt werden. Grund hierfür war, dass das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis für die Beurteilung entscheidend ist. Zwar bleibt dieser Grundsatz im Kern bestehen. Neu ist, dass auf Antrag der Beteiligten bereits vor Aufnahme der Tätigkeit der Erwerbsstatus geprüft werden kann, damit die Beteiligten frühzeitig Rechtssicherheit erlangen können. Dennoch kann diese sog. “Prognoseentscheidung” den Beteiligten die Entscheidung darüber erleichtern, ob sie das geplante Vertragsverhältnis auch eingehen wollen. Allerdings geht das nur, wenn danach der tatsächliche Einsatz so erfolgt wie in der Prüfung dargestellt.
Ein weiteres neues Instrumentarium ist die sog. Gruppenfeststellung, falls die Aufträge auf Grundlage von im Wesentlichen einheitlichen Bedingungen umgesetzt werden. Sobald in einem Fall über den Erwerbsstatus entschieden wurde, kann der Auftraggeber beantragen, dass dieser Status auch für alle Auftragnehmer mit gleichen Auftragsverhältnissen gilt. Da es sich dabei um keinen Verwaltungsakt handelt, ist diese Gruppenfeststellung nicht wirklich bindend und führt damit zu keiner umfassenden Rechtssicherheit.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gesetzgeber es leider versäumt hat, verbindliche Abgrenzungskriterien zu formulieren, die bestimmen, wann genau eine abhängige Beschäftigung bzw. eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 04/2022 veröffentlicht.