Heftige Reaktionen auf Vorgehen der Steuerfahndung gegen Freiberufler
Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster hatte am 10.6.2021 per Einschreiben Freelance-Market zur Herausgabe von Freelancer-Vermittlungsdaten aufgefordert. Durch diese Art “Rasterfahndung” will die Finanzverwaltung Freiberufler ermitteln, die nicht alle ihre Einnahmen angegeben haben*.
Die zahlreichen Reaktionen unserer Leser haben wir nachfolgend auszugsweise dargestellt. Hier zunächst einige Leserstimmen, die Frustration und Unverständnis ausdrücken:
Roland G. schreibt: Können die sich offensichtlich nicht vorstellen, dass bei etlichen Freelancern die Einnahmen in letzter Zeit gegen null tendieren. Und nun wittert man Steuerbetrug im großen Stil bei den Kleinen.
Auch Thomas D. findet das Vorgehen falsch: Jetzt kommt die Zeit, wo jemand die Rechnung der ganzen Corona-Pandemie bezahlen soll. Es trifft halt meist die gleiche Bevölkerungsschicht.
Es gab auch heftige Diskussionen um die Frage, ob sich die Steuerfahndung nicht auf rechtlich dünnes Eis begibt, analog zu der inzwischen als illegal angesehenen Verwertung von Steuersünder-CDs. Dabei kam der Vorschlag auf, beim Bundesjustizministerium nachzufragen, ob es angemessen ist, gegenüber allen Freelancern einen Anfangsverdacht zu äußeren.
Hierzu meint Karl E., dass diese Daten legaler und einfacher über Kontrollmitteilungen an die jeweils zuständigen Finanzämter erhalten werden könnten, da dies ein übliches Instrumentarium sei: Es bedarf eigentlich keiner Intervention der Steuerfahndung. Eine Außenprüfung der Beteiligten würde ein besseres Ergebnis für den Fiskus bringen.
Auch Christoph S. ist über das Vorgehen der Behörden verwundert und schreibt:
Wir sollten grundsätzlich bedenken, dass es Zweierlei gibt: Steuerfahndung und Steuerprüfung.
Für die Steuerfahndung braucht es einen konkreten Anfangsverdacht und die kommt dann mit richterlichem Durchsuchungsbefehl überraschend zu einem.
Für die Steuerprüfung braucht es keinen Anlass. Die kann jeden Steuerpflichtigen treffen (auch Angestellte und Rentner). Ab einer gewissen Unternehmensgröße kommt sie routiniert regelmäßig vorbei. Sie kündigt sich an.
Wenn sie bei Angestellten, Rentnern oder "kleinen Selbständigen" vorbeikommt, die üblicherweise nicht oder nur extrem selten geprüft werden, hat sie meist einen Anlass. Das kann eine CD aus Liechtenstein sein oder eine von einem Vertragspartner verfälschte Rechnung (der daraufhin nicht nur eine Steuerprüfung, sondern auch die Steuerfahndung am Hals hat) usw.
Anmerkung der Redaktion: Das Schreiben kam tatsächlich von der Steuerfahndungsstelle.
Für Stephan M. ist Datensparsamkeit angesagt: Ein Grund mehr, meine Daten nicht auf irgendwelchen Plattformen zu hinterlassen*. Auch nicht auf den vielen aus dem Boden sprießenden Projekt- und Jobvermittlungsplattformen. Wer weiß, wo meine Daten überall landen*.
Auch Irene K. findet die Formulierung der Finanzbehörde gelinde gesagt “unverschämt”, wenn nicht sogar “rechtswidrig!” Da sie im Prinzip alle Daten haben wollten und dann behaupten “es handelt sich hier auch nicht um eine „Rasterfahndung“ oder Ermittlungen ,,ins Blaue hinein", da aufgrund der o.a. konkreten Kombination von Anhaltspunkten in Verbindung mit den bereits ermittelten Steuerfällen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung als Prognoseentscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt…”
Die Steuerfahndung hat doch überhaupt keine “Kombination von Anhaltspunkten oder ermittelte Steuerfälle” angegeben gehabt.
Karl E. meint: Ob und inwieweit die Steuerfahndung / das Bundesfinanzministerium diese Vorgehensweise … umsetzen darf, vermag ich nicht zu beurteilen, bin kein Jurist. Aber, die werden es umsetzen. Denken wir doch an die 2000er-Jahre als es laut Bundesjustizministerium auch nicht legal war, die Steuersünder-CDs zu verwerten.
Es gibt aber auch Freelancer, die für das Vorgehen der Steuerverwaltung Verständnis haben. So schreibt Marcel B.:
Irgendwo muss ja das ganze Geld herkommen, welches Frau Merkel für Spenden, Hilfen, ... täglich raushaut. Ich schicke grundsätzlich alle Belege bei der privaten Einkommensteuererklärung direkt mit und bekomme vom Finanzamt immer das Schreiben, dass dies nicht notwendig wäre. Bevor ich irgendwelche Nachforderungen oder Probleme habe, sende ich lieber direkt ein Paket hin.
Ob es wirklich Sinn macht, jeden einzelnen Freelancer zu prüfen? Meines Erachtens wäre im Handwerk, Online-Geschäft und der Gastronomie mehr zu holen.
Auch Stephan M. wurde weniger stark durch Corona getroffen und ist daher noch in der Lage Steuern (nach) zu bezahlen: Ich jammere nicht darüber, das ich nachzahlen muss und keine Coronahilfe bekomme. Das letzte Jahr lief nämlich blendend und dafür bin ich sehr froh und dankbar. Nach mir muss das Finanzamt auch nicht jagen.
Ähnlich erging es auch Pedro R.: Ich habe heute die Steuererklärung für 2020 gemacht. Etwa 21 500 Euro Nachzahlung statt Coronahilfe.
*: Anmerkung: Freelance-Market bietet keine “Dienstleistung der Zahlungsabwicklung” an, sondern bringt lediglich Freelancer und Nachfrager zusammen ohne bei einer darauf folgenden Beauftragung involviert zu sein. Wir haben daher keine Kenntnisse über die Umsätze, die die Freelancer mit Ihren Auftraggebern erzielt haben und konnten somit keine Umsatzdaten an die Finanzverwaltung weitergeben. Näheres hierzu finden Sie unter anderem auf unseren FAQ unter “Wie funktioniert der Vorstellungsprozess”.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 08/2021 veröffentlicht.