Steuerfahndung sucht jetzt systematisch nach Freiberuflern, die Umsätze verschweigen
Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Münster hat am 10.6.2021 per Einschreiben Freelance-Market zur Herausgabe von Freelancer-Vermittlungsdaten aufgefordert. Die Finanzverwaltung will so verifizieren, ob Freelancer tatsächlich alle ihre Einnahmen angegeben haben.
Nachfolgend einige Passagen des Schreibens, mit der Überschrift “Sammelauskunftsersuchen und Vorlageverlangen nach § 208 Abs. 1 i. V. m. §§ 93 Abs. 1a und 97 der Abgabenordnung (AO) betreffend Vorfeldermittlungen gegen unbekannte selbständig tätige Personen (Freelancer bzw. Crowdworker) der Outsourcing-Plattformen”:
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Im Rahmen von steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurde mehrfach festgestellt, dass Freelancer bzw. selbständige Crowdworker, die die Aufträge aufgrund einer Plattform, die internetbasiert die Vermittlung von Dienstleistungen vornimmt, ihre Umsätze bzw. ihre Einnahmen nicht oder in den abgegebenen Steuererklärungen unvollständig gegenüber der Finanzbehörde angegeben haben. Hierbei führten die bislang aufgedeckten Fälle zu erheblichen Steuernachzahlungen.
Die erbetenen Auskünfte sollen den für die Besteuerung der einzelnen Freelancer bzw. selbständigen Crowdworker zuständigen Finanzämtern die Kontrolle ermöglichen, inwieweit die im Inland erzielten Einkünfte ordnungsgemäß versteuert worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre ein bisher unbekannter steuerlicher Sachverhalt aufgedeckt.
Nach § 93 Abs. 1a AO haben auch andere Personen als die Beteiligten eines Steuerverwaltungsverfahrens der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen...
Der Steuerfahndung steht die Befugnis zu, ein solches Auskunftsersuchen und Herausgabeverlangen an Sie als Dienstleistungsunternehmen für die Zahlungsabwicklung zwischen den Projektauftraggebern und den Freelancern bzw. selbständigen Crowdworkern zu richten, da Ihr Unternehmen u. a. über die entsprechenden Kontaktdaten und Daten zur Zahlungsabwicklung verfügt.
Des weiteren liegt für Ermittlungen der Steuerfahndung zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO ein hinreichender Anlass vor, da bei Außenprüfungen Steuerverkürzungen aufgedeckt worden sind, die durch bestimmte, für Freelancer bzw. selbständige Crowdworker typische Geschäftsabläufe begünstigt worden sind. Die Aufnahme der Tätigkeit zum Freelancer bzw. selbständigen Crowdworker bedarf nicht zwingend einer Gewerbeanmeldung. Erfahrungsgemäß kommen viele Freelancer und selbständige Crowdworker ihrer Verpflichtung zur Anmeldung ihrer gewerblichen Tätigkeit gem. § 138 AO nicht nach. Für einen außenstehenden Dritten ist nicht erkennbar, inwieweit der jeweilige Leistungsauftrag von einem Arbeitnehmer des beauftragten Unternehmens oder aber von einem Freelancer bzw. selbständigen Crowdworker erfüllt wird. Die Informationsmöglichkeiten des Finanzamtes von dritter Seite zur Sicherstellung der Besteuerung sind daher eingeschränkt. Deshalb können in diesen Fällen auch unbare Zahlungen des Leistungsentgelts Steuerverkürzungen durch Nichtabgabe oder der Abgabe unvollständiger Steuererklärungen ermöglichen.
Das Auskunftsersuchen entspricht auch dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da anderweitige erfolgversprechende Möglichkeiten zur Entdeckung der fraglichen Steuerfälle nicht erkennbar sind und die elektronische Auswertung der vorliegenden Daten Ihnen als Betroffenem zuzumuten ist.
Auskünfte über die Höhe der gezahlten Leistungsentgelte können zwar auch von den einzelnen Unternehmen erlangt werden. Da Freelancer bzw. selbständige Crowdworker jedoch für verschiedene Unternehmen tätig sind, ist es zweckmäßiger den gesamten Umfang der vermittelten Aufträge und der damit zugeflossenen Leistungsentgelte über ein an Ihr Unternehmen gerichtetes Auskunftsersuchen zu ermitteln.
Es handelt sich hier auch nicht um eine „Rasterfahndung“ oder Ermittlungen ,,ins Blaue hinein", da aufgrund der o.a. konkreten Kombination von Anhaltspunkten in Verbindung mit den bereits ermittelten Steuerfällen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung als Prognoseentscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit in Betracht kommt…
Ich bitte Sie daher um Übermittlung … aller Freelancer bzw. selbständigen Crowdworker mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, die Ihre Dienstleistung der Zahlungsabwicklung in Anspruch genommen haben und dabei in mindestens einem dieser Jahre (2017 bis 2019) mehr brutto als 17.500 € und in dem Jahr 2020 mehr als brutto 22.000 € von den verschiedenen Unternehmern erhalten haben...
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Freelance-Market bietet übrigens keine “Dienstleistung der Zahlungsabwicklung” an, sondern bringt lediglich Freelancer und Nachfrager zusammen ohne bei einer darauf folgenden Beauftragung involviert zu sein. Wir haben daher keine Kenntnisse über die Umsätze, die die Freelancer mit Ihren Auftraggebern erzielt haben und konnten somit keine Umsatzdaten an die Finanzverwaltung weitergeben. Näheres hierzu finden Sie unter anderem auf unseren FAQ unter “Wie funktioniert der Vorstellungsprozess”<>.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 07/2021 veröffentlicht.