Gastartikel von Johannes Maib: Wie professionelles Marketing weltweite Schülerproteste auslöst
Die letzte Zeit war übervoll beunruhigender Entwicklungen, von Donald Trumps zunehmendem Irrsinn bis zum nicht enden wollenden Drama um den BREXIT. Da kommt uns eine tröstliche Geschichte um ein kleines schwedisches Mädchen gerade recht.
Es war einmal ein kleines Mädchen in Schweden, das hörte nicht auf zu weinen. Ihre verzweifelten Eltern wussten keinen Rat und brachten das Kind zu einem Spezialisten.
Wusste er einen Rat? Er untersuchte das Kind von Kopf bis Fuß und stellte schließlich fest, dass es eine besondere Veranlagung hatte: Asperger Autismus. Er erfuhr von Greta Thunberg, so hieß das traurige Kind, dass sie eine Ökodokumentation gesehen hätte, die sie in so hoffnungslose Verzweiflung stürzte. Was der Psychologe Greta geraten hat, wissen wir nicht. Aber was danach geschah, schreibt seitdem Geschichte.
Als Klima-Greta sitzt sie nun, statt in der Schule, mit ihrem selbstgemalten Pappschildchen freitags vor dem Stockholmer Parlament. Und vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz. Und vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos (Dienstag hin, Freitag zurück, 65 Stunden Bahnfahrt). Und wenn ihr die Fahrt bezahlt wird, auch vor der Hamburger Schülerdemo...
Greta wächst auf mit ihrem Vater Svante, einem Schauspieler und Manager seiner Frau, ihrer ambitionierten Mutter Malena, die als Opernsängerin beim europäischen Sängerstreit ESC 2009 leider nur auf Platz 21 landete. Die Mutter leidet ebenso wie die beiden Töchter unter Depressionen, ADHS, Asperger und Zwangsstörungen.
Quasi als Therapie schreibt sie mit Mann und den kleinen Töchtern an einer Anklageschrift über schlechte Politik, böse Wirtschaft, ignorante Kultur und die unvermeidliche Klimakatastrophe. Im letzten Jahr, im Mai 2018, beteiligte sich Greta mit einem Umweltartikel an einem Schreibwettbewerb und ihr Aufsatz wird im schwedischen Svenska Dagbladet veröffentlicht. Nun nimmt die Geschichte Tempo auf.
Der Umweltaktivist Bo Thorén wird auf sie aufmerksam und schlägt ihr einen Schulstreik vor. Am 20. August 2018 protestierte sie zum ersten Mal vor dem Reichstag in Stockholm. „Skolstrejk för Klimatet“ steht auf ihrem Schild. Nicht zufällig ist der Klimaunternehmer Ingmar Rentzhog (40) vor Ort. Er hat auch einen Fotografen mitgebracht. Er veröffentlicht die Bilder auf Facebook und auf seiner Geschäftshomepage „We don’t have time“. Das Unternehmen verdient sein Geld mit digitaler Werbung und will das weltgrößte Netzwerk von Klimaaktivisten werden. Er verpflichtet Greta zu seinem Beirat und wirbt mit ihr über 13 Mio. Schwedische Kronen (1,24 Mio. Euro) für seine Firma ein. Ein Klimaaktivist und Medienstratege helfen Greta bei ihren Pressekontakten und schreiben für sie Pressemitteilungen. Parallel erscheint im Herbst 2018 das Buch ihrer Mutter „Scener ur Hjärtat“ (Szenen aus dem Herzen).
Aus Greta ist ein Geschäftsmodell geworden, auch für ihre Eltern Malena Ernman und Svante Thunberg. Als „Gretas Mutter“ und „Gretas Vater“ sind sie inzwischen bekannter, als sie es in ihren früheren Berufen je waren. Bei Ernman Produktion AB und Northern Grace AB ist Svante Geschäftsführer. Ihre Aktien haben ebenso wie die von WeDontHaveTime AB enorm von Gretas Aktivitäten profitiert. Als all dies im Svenska Dagbladet veröffentlicht wird, wollen Greta und ihr Vater damit nichts zu tun haben. Sie hätte sich aus dem Beirat entfernt und beteuerten, niemand stehe hinter ihr und der Familie. Nun ja, jetzt wo dies alles ein zweifelhaftes Licht auf den plötzlichen Erfolg der Kampagne ihrer Tochter wirft.
Es hat überhaupt keinen Zweck, sich mit den naiven Argumenten der Sechzehnjährigen sachlich auseinanderzusetzen, wie es Jacob Augsteins "DER FREITAG" versucht. Gretas Aktionen und Worte zielen ausschließlich auf die emotionale Seite der Klimadiskussion. „Alle sollen die Angst spüren, die ich selbst jeden Tag spüre. Ich will, dass ihr in Panik geratet!“ Mit der deutschen Klimafundamentalistin Lisa Neubauer (22) hat sie ihre Gedanken zu einem Pamphlet in der FAZ ausgearbeitet, das den Widerspruch zwischen dogmatischer Realitätsverweigerung und kompromissloser Emotionalität schmerzhaft deutlich macht.
Nein, liebe Greta, deine Elterngeneration zerstört nicht deine Zukunft. Deine irrationalen Zukunftsängste gefährdeten unsere Gegenwart, wenn wir uns von solchen Ängsten leiten ließen. Zum Glück ist Greta nicht Pippi Langstrumpf. Wie würde denn eine Welt aussehen, wenn Greta sie macht, wie es ihr gefällt? Kohleausstieg sofort! Atomausstieg sofort! Weg mit Flugzeugen, Verbrennungsmotor, Kühen und Intensivlandwirtschaft! Und woher kommt dann der Strom für Papas E-Auto und ihr Smartphone? Natürlich: Sonne und Wind sofort! 24 Stunden! Aber selbst die Schweden wollen nicht zurück in eine bitterarme, vorindustrielle Gesellschaft.
Pipi Langstrumpf hatte keine Angst, vor nichts und niemand. Sie hat sich selbst und ihren Freunden Thomas und Anika Mut gemacht, mit jeder Herausforderung fertig zu werden, und dabei maximalen Spaß gehabt.
Anmerkung: Die von Gastautoren veröffentlichten Texte geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 4/2019 veröffentlicht.