Gastartikel von Unternehmensberater Johannes Maib: Investmenttipps in Zeiten der Staatsverschuldung
Die Griechenlandkrise ist von der Zuwanderung aus den Schlagzeilen verdrängt, aber nach wie vor bin ich der Meinung, den Griechen würde es ohne den Euro besser gehen. Sie könnten ihre Währung abwerten und wären mit einem Schlag wieder wettbewerbsfähig. Ihre Schulden zahlen die Griechen so oder so nicht zurück. Das hat schon eine über hundertjährige Tradition. Auch Hans-Werner Sinn sieht das so. In der Zwischenzeit hat sich auch Nobelpreisträger Paul Krugman unserer Meinung angeschlossen. Jetzt, nachdem die EZB den amerikanischen Banken und Hedgefonds ihre Risiken abgekauft hat. Auch ein Nobelpreisträger ist nicht unabhängig von der eigenen, sprich amerikanischen Perspektive. Er ist auch mit uns skeptisch, was das Gelddruckprogramm der Europäischen Zentralbank angeht, das die Zinsen bei Null hält und den Euro gegenüber dem USD verbilligt. Jeden Monat pumpt die EZB 60 Milliarden Euro in den Geldmarkt und ermöglicht den Eurostaaten damit immer weiter billige Verschuldung und den Unternehmen, ihre Exporte günstiger auf dem Weltmarkt anzubieten. Gleichzeitig werden die Sparer und Lebensversicherten durch diese Null-Zins-Politik enteignet. Aber was hilft es zu lamentieren und irgendwann Recht behalten zu haben? Der DAX geht derweil auf Talfahrt.
Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mit Holger Bahr, dem Chefvolkswirt der DekaBank, nach einem Vortrag in Köln darüber zu sprechen. Anders als Hans-Werner Sinn sieht er die Welt eher aus Anlegerperspektive. Hier seine Tipps – ohne Gewähr:
Das EZB Anleihenkaufprogramm wird die Zinsen bis mindestens Ende 2016 bei Null halten. Das viele Geld drängt nach Anlagen, darunter Aktien, mit höheren Renditen und Risiken. Viel Potential nach unten hat der deutsche Aktienmarkt nach den Verlusten der letzten Tage kaum noch.
Deutsche Aktien haben derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12, das ist im langfristigen Vergleich niedrig. Gleichzeitig liegt die Dividendenrendite im DAX über 3%. Bahr empfiehlt sukzessive zu kaufen. Anleihen, gerade auch Hochzins-/Hochrisikoanleihen mit 4%, sind viel zu teuer bei viel zu hohen Risiken. Selbst riskante Italienanleihen rentieren nur mit 1,5%.
Konjunktureinbruch in China? Keine Sorge, 7% Wachstum in diesem Riesenland sind eher gesünder als die Übertreibungen in der Vergangenheit und die Abwertung des Yuan kompensiert gerade mal die Aufwertung der letzten zwei Jahre.
Wenn in den USA, wie angekündigt, die Zinsen Ende 2015 angehoben werden, kann der Euro auf 1 USD fallen. Dieses Währungspotential haben dann auch US-Aktien und Anleihen. Die Risiken in den USA überwiegen allerdings bei den derzeit hohen Bewertungen – steigen die Zinsen, fallen die Kurse. Was wird aus dem Ölpreis? 2015 fördern nur noch knapp 800 Ölquellen in den USA, das sind nur noch halb so viele wie auf dem Höhepunkt des Fracking-Booms. Damit hat der Ölpreis (heute unter 50 USD) in den nächsten Monaten ein Potential auf 70 bis 80 USD. Und Gold? Gold als Inflationssicherung hat ohne Inflation derzeit wenig Potential.
Und politisch? Holger Bahr hat nicht das Sendungsbewusstsein von Hans-Werner Sinn. Dennoch ist ihm ein Kommentar zu entlocken: "Die größten Fehler macht man, wenn es einem gut geht", zitiert er den BDI Präsidenten Ulrich Grillo. Noch 2006 war Deutschland der "kranke Mann Europas" mit Arbeitslosenraten von 12%, heute die Lokomotive der EU und Sehnsuchtsland nicht nur für Südosteuropäer. Nach den damaligen Reformen fehlt es uns heute an vielen Enden: Infrastruktur, Bildung, Energiesicherheit, Krankenversicherung, Renten, Arbeitsmarktflexibilisierung, Schuldenabbau, überall ungelöste Aufgaben, nicht nur in Griechenland. Die Zuwanderung von bald einer Million Menschen lässt alle diese Probleme fast nebensächlich erscheinen. In der Summe kann sich daraus allerdings eine wirklich schwierige Situation entwickeln. Wie Angela Merkel sagt, "Wir packen das". Hoffentlich!
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Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 10/2015 veröffentlicht.