Aktueller Entwurf zum Werkvertragsgesetz liegt vor
Obwohl der zweite Entwurf zum Werkvertragsgesetz jetzt vorliegt bleiben immer noch Rechtsunsicherheiten. Bereits im November 2015 legte Arbeitsministerin Andrea Nahles ihren ersten Entwurf vor. Angetrieben von Beschwerden der Gewerkschaften, dass Arbeitnehmer unter den aktuellen Werk- und Zeitarbeitsverträgen leiden, sollte deren Situation verbessert werden. Heraus kam ein Entwurf, der aus Sicht vieler aus beinahe jedem Selbstständigen einen Scheinselbstständigen machen würde. So bezeichnete der Entwurf beispielsweise jeden Freiberufler, der in den Räumen seines Auftraggebers arbeitet als scheinselbstständig. Wie absurd diese Definition sein kann, zeigen folgende Beispiele: Mit dieser Regelung wären mit einem Schlag Handwerker, die ein Rohr in einem fremden Haus verlegen oder selbstständige Ärzte auf Hausbesuch zu Scheinselbstständigen geworden.
Nach viel Kritik hat sich die Koalition nun auf die Änderungen zum Werkvertragsgesetz geeinigt. Es wird erwartet, dass dieses nun ohne Änderungen verabschiedet wird und zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt.
Der neue Entwurf verhindert einerseits das Schlimmste für Selbstständige. So wurde der Negativkatalog zur Scheinselbstständigkeit entfernt, genauso wie die Vermutungsregelung, bei der ein einfacher Verdacht der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ausreichend gewesen wäre, um aus einem Selbstständigen einen Angestellten zu machen.
Andererseits bleibt selbst mit dem neuen Entwurf weiterhin eine große Rechtsunsicherheit. Denn Scheinselbstständigkeit bedeutet im Prinzip, dass Unternehmen Arbeiter einstellen, die die exakt gleiche Arbeit leisten wie Angestellte, das Unternehmen dafür aber keine Renten- und Sozialabgaben zahlt. Die Eindämmung der Scheinselbstständigkeit ist sicherlich wichtig, um Ausbeutung zu verhindern. Der DRV zufolge gilt als scheinselbstständig, wer:
o nur einen Auftraggeber hat
o bestimmte Arbeitszeiten einhalten muss
o dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen lassen muss
o in den Räumen des Auftraggebers arbeiten muss
o bestimmte Hard- und Software benutzen muss
Auch wenn man mehrere Auftraggeber hat könnten Freiberufler als scheinselbstständig eingestuft werden. Wie sieht es aus mit dem freiberuflichen Fitnesstrainer, der mit seinen Kunden genaue Zeiten abspricht und Stunden im Haus der Kunden gibt? Wie ist es mit IT-Experten, die eine bestimmte Hard- und Software des Auftraggebers nutzen, um diese zu verbessern? All dies kann anscheinend recht willkürlich von der DRV als Scheinselbstständigkeit ausgelegt werden. Die Zahlen zeigen, dass dies auch zunehmend der Fall ist. Während 2006 nur 19% der Selbstständigen als scheinselbstständig eingestuft werden, waren dies 2014 bei den gleichen Kriterien 47%. Hier scheint also ein interner Politikwechsel vorzuliegen, bei dem die gleichen Kategorien anders ausgelegt werden. Diese breite Interpretationsmöglichkeit der Scheinselbstständigkeit verunsichert sowohl Unternehmen wie auch Freiberufler.
Es wird Unternehmen deshalb geraten, jede Beauftragung eines Freelancers beim DRV prüfen zu lassen. Eine solche Prüfung kann aber Monate dauern und am Ende wird dann in fast der Hälfte der Fälle entschieden, dass Scheinselbstständigkeit vorliegt. Da Unternehmen aber Arbeitsengpässe schnell bearbeiten müssen, ist dies nicht besonders praktikabel. Lieber verzichten sie also eher darauf Freiberufler zu beauftragen. In der Folge gehen somit aufgrund dieser Rechtsunsicherheit Freiberuflern viele wertvolle Aufträge verloren. Insbesondere die IT-Branche ist betroffen. So schreibt der Branchenverband Bitkom auf seiner Website: "Der Mangel an qualifiziertem IT-Personal ist zugleich eine der größten Wachstumsbremsen. Ohne externe IT-Spezialisten könnten viele Digitalisierungsprojekte daher nicht realisiert werden." Das neue Werkvertragsgesetz bekämpft damit nach Meinung vieler Experten weniger die Scheinselbstständigkeit, sondern legt Freiberuflern vielmehr große Hürden in den Weg.
Falls Sie Anregungen haben oder unseren Newsletter abonnieren möchten, können Sie uns hier gerne eine Nachricht hinterlassen:
Dieser Artikel wurde in den Freelance-Market-News 07/2016 veröffentlicht.